Dienstag, 8. Dezember 2009

das minarett-syndrom

[da sahen meine argentinier mich noch ganz erstaunt an, weil sie dachten, „das thema“ sei bei uns inzwischen abgehakt.]


„wenn das so weitergeht, wähle ich wirklich bald was anderes...“ meint meine arbeitskollegin, die sich bei der letzten wahl nach eigener aussage zwischen links und rechts entscheiden musste (zum glück links wählte), und einmal mehr muss ich ihr sagen, dass man mit mir über diese „alternative“ die nicht mal im ansatz eine alternative sei, nur streiten kann, da geht es nicht um „denen da oben eine auswischen“, sondern um grundsätzliches.

grundgesetzliches vielmehr. da ist die religionsfreiheit verankert. und grundsätzlich glaube ich an diese freiheit. vor allem auch frei darin zu sein, nicht alles glauben zu müssen.

nachdem mich auf dem wahlzettel der briefwahl in diesem jahr einmal mehr erschreckt hat, dass tatsächlich 4 rechte parteien offiziell in den bundestag gewählt werden können, weil die gesellschaft anscheinend tatsächlich auf den gesunden menschenverstand vertraut, dass sich die wahlergebnisse auch zukünftig in der mitte (richtung links) bewegen.

vertrauen ist gut... aber wäre in diesem falle nicht eine größere kontrolle angebracht?

ich bin eine freundin der worst-case-szenarios, einfach, um alle fälle einmal durchgespielt zu haben, und da frage ich mich:

was wäre wenn ... (so absurd klingt es heute gar nicht mehr vor dem hintergrund, dass selbst die piratenpartei, deren überraschungserfolg beachtlich war und deren programm auf den ersten blick tatsächlich nach einer alternative zu den großparteien klingt, immer mehr rechtsextreme äußerungen verbucht) ... plötzlich doch alle vor schulen klein-rekrutierten der rechten oder all die in krisenzeiten von oberflächlichen medien rechtsgedrehten kleinhirne an die wahlurne treten und die demokratie zu grabe tragen? was, wenn plötzlich doch mal (schockschwerenot) 10+ % rauskommen? wird dann einfach mit den schultern gezuckt, „kann man nichts machen, ist halt rechtens“?

so erschreckt mich einmal mehr die äußerung meiner kollegin, die einem tourett-ausfall gleicht, damit aber eine scheinbar immer weniger seltene meinung vertritt. sie könne kotzen, was „die“ (die türken) sich wieder rausnehmen, wenn „denen“ die möglichkeit erst mal gegeben würde, dann werden „die“ sie auch nutzen, denn auf minarett folge unweigerlich der muezzin.

aha. und neben der burka und der unterdrückung der frau auch die allgemeine glaubens- und machtübernahme.

letzteres sagt sie nicht, aber würde es wohl tun, wenn sie sich weiter mit dem thema beschäftigt, d.h. vor allem noch mehr der bauernfänger-argumente gefressen hätte, mit der in der schweiz die initiative gegen den bau von minaretten auf stimmenfang ging und die so neutrale schweiz plötzlich dazu brachte, farbe zu bekennen.

kommentare zu den zeitungsartikeln greifen den gefährlichen trend auf: „in deutschland wäre das ergebnis bei einer abstimmung noch weitaus eindeutiger ausgefallen.“ zeitgeist?

die schweizer initiative jedenfalls zeigte eine schweizer fahne, auf dem schwarze minarette eng aneinandergereiht standen (daneben schaute eine frau böse unter einer schwarzen burka hervor) und erinnerte an raketen, eine direkte bedrohung und prophezeite praktisch den weltuntergang durch den islam, wenn man den bau von minaretten nicht verbietet, denn das minarett sei nichts weiter als ein machtsymbol.

was bitte, wenn man es so sehen möchte, ist das kreuz denn anderes?

die angst vor in diesem fall minaretten zeigt, wie wenig ahnung mensch hat in seiner angst vor dem fremden glauben an sich. aber es ist doch nicht der glaube, der gefährlich ist, es sind immer die menschen, die den glauben falsch interpretieren! und die findet man überall, hinter allen möglichen symbolen. wie viele kriege wurden allein im namen des christentums geführt, das den namen gottes und das symbol des kreuzes für seine zwecke mißbrauchte?

man darf angst haben, wenn man sich nach sicherheit sehnt und diese bedroht wird, aber zumeist sind es eben ein paar wenige menschen, extremisten jeglicher couleur, die wie der rattenfängern von hameln stimmen fangen, vor denen man sich fürchten muss...